85 jähriges Gedenken an Reichspogromnacht

Der 85. Jahrestag erinnert an eines der größten Volksverbrechen innerhalb Deutschlands und innerhalb der eigenen Zivilgesellschaft. Die Härte des Vorgehens, sowie der Presse-Sprachgebrauch aus dieser Zeit sind ein Zeugnis davon, was nicht mehr passieren darf: Missbilligung und Hass aufgrund von Religion. Dass gerade jetzt aufgrund der Auseinandersetzungen in Israel neuer Hass gegenüber Jüdinnen*Juden in unserer Stadtgesellschaft aufflammt, versetzt uns Grüne in große Sorge.

Ein Rückblick

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Polizeipräsidium und der Feuerwache fand am 9. November 1938 das Pogrom gegen die Synagoge, das Gemeindehaus und die jüdische Schule statt. Während in der Innenstadt Geschäfte und Privatwohnungen Recklinghäuser Familien jüdischen Glaubens überfallen, zerstört oder geplündert wurden, vollzog sich die Zerstörung der jüdischen Gemeindezentren in einem stundenlangen Verfahren unmittelbar unter den Augen und mit Billigung der staatlichen Behörden. Dazu kamen gezielte Brandstiftungen, die nicht gelöscht wurden und Demütigungen in der Öffentlichkeit und die Diffamierung gegenüber Menschen, die sich auf die Seite der Jüdinnen*Juden stellten. In Recklinghausen formierte sich von dem 9. auf den 10. November der Judenhass so stark, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt jedem bewusst wurde, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren.

Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Pogromnacht

Die gestrige Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Pogromnacht am 9. November 1938 war in diesem Jahr anders und geprägt von den schrecklichen Ereignissen in Israel. Deutlich mehr Bürger*innen waren vor Ort am Mahnmal anwesend als in den vergangenen Jahren und verfolgten die Reden. In diesem Jahr übernahm die Recklinghäuser Polizei die Organisation der Gedenkfeier und beteiligte sich mit Texten aus dem Archiv der Villa ten Hompel in Münster. Polizist*innen lasen Berichte aus den Akten und Texte von Zeitzeug*innen vor. Polizeipräsidentin Zurhausen erinnerte in ihrer Rede an die Beteiligung der Recklinghäuser Polizei im Nationalsozialismus und insbesondere an die schrecklichen Ereignisse im Polizeigebäude in Recklinghausen, wo Menschen geschlagen, gequält und gefoltert worden sind. Wo in zynischer Weise sich Bürger*innen über den störenden Lärm dort beschwerten.

„Die Polizei darf nie mehr Instrument einer autoritären oder faschistischen Regierung werden. Die Polizei muss die Demokratie mit verteidigen“

Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen

Sowohl die Polizeipräsidentin als auch der Bürgermeister appellierten an die Bürger*innen sich für den Erhalt der Demokratie einzusetzen. Denn was nütze die jährliche Wiederholung von Beteuerungen und Erinnerung an diesen Gedenktagen, wenn sich nicht jeder Einzelne für den Erhalt der Demokratie einsetzt. Denn wir alle sind gefragt für die Demokratie zu kämpfen und uns für ihren Erhalt aktiv einzusetzen. Am Ende der Veranstaltung fanden sich Vertreter*innen aller Religionsgemeinschaften auf der Bühne zusammen, um jeweils ein Friedensgebet zu sprechen. Der Kantor der jüdischen Kultusgemeinde, Isaak Tourgmann erinnerte sehr bewegt an die Geschehnisse in Israel und an den verbrecherischen Überfall der Hamas: „Warum müssen heute wieder Juden Angst haben?“ fragte er und weiter: „Warum müssen heute jüdische Einrichtungen von der Polizei wieder bewacht werden, warum gibt es einen verstärkten Antisemitismus?“ Die Veranstaltung ging anschließend in der Synagoge weiter. In der vollbesetzten Synagoge lasen wieder Mitarbeiter*innen der Polizei Texte vor und ein Chor trug passende Lieder dazu vor. Dieser Tag macht Hoffnung, dass die Stadtgesellschaft stark genug ist und solidarisch zusammenstellt, wenn es um die Verteidung der Demokratie geht.

Der Beitrag verfällt am 10.11.2026 um 09:17 Uhr.